Als ich klein war, habe ich sie geliebt, die Geschichten, die meine Oma mir erzählte. Wahre Geschichten von ihrer Flucht vor den Bombenangriffen auf Berlin, von ihrer Kindheit auf den Obstplantagen ihres Großvaters, erfundene Geschichten über mutige Mädchen, in denen ich mich wiederfinden sollte, Märchen aus 1001 Nacht. Ich versank in den Geschichten, fühlte mich geborgen, sie schafften Vertrauen in das Leben und in die Welt.
Ich liebe heute noch Geschichten, versinke in den Büchern, die ich lese, erzähle meinen Kindern welche, finde spannende für meine Kunden, höre neue von den Menschen um mich herum. Geschich-ten sind das, was uns verbindet. Wenn ich jemanden kennen lerne, dann ist er irgendjemand. Wenn er mir seine Geschichte erzählt, lerne ich ihn kennen, vielleicht wächst er mir auch ans Herz.
In jeder Form der Kommunikation machen Geschichten den Unterschied, und wir alle brauchen sie. Solche, in denen wir uns wieder finden, die uns informieren, die uns am Leben eines anderen teilhaben lassen. Solche, die uns Orientierung geben oder uns die Welt aus einer völlig anderen Perspektive zeigen. Solche, die uns neue Lösungswege zeigen und uns Neues entdecken lassen. Und wir brauchen Protagonisten, mit denen wir uns identifizieren können. Sehr oft verbinden wir uns dann auch mit denen, über die wir etwas erfahren.
Das gilt für die meisten Geschichten, die wir hören oder lesen.
Auch deshalb sind sie im Marketing angekommen, die Geschichten. Denn sie schaffen Vertrauen und zeigen uns, wie einzigartig die Marke ist, wer sie ist und was sie ausmacht. Wenn mir eine junge, nachhaltige Mode-Marke ihre Geschichte erzählt, mir seine Gründer vorstellt, die mich teilhaben lassen an ihren Ideen und Visionen. Und ich die Designer, Näherinnen und Baumwollbauern kennen lerne, die dazu beitragen, dass wir dieses wunderschöne, fair gearbeitete, mintfarbene T-Shirt aus ökologischer Baumwollte mit dem unverwechselbaren Print tragen können, dann fange ich an, mich mit der Marke und den Menschen dahinter zu verbinden. Denn sie kennen zu lernen, lässt Vertrauen entstehen.
Es sind immer andere Geschichten. Manchmal handeln sie von den Gründern und ihrer besonderen Beziehung zu ihrem Produkt, manchmal sind es historische Geschichten, die uns an der Vergangenheit teilhaben lassen und uns deren Bedeutung für die Zukunft zeigen, manchmal sind es erfundene Geschichten, die uns zeigen, was die Marke eigentlich bedeutet.
Das ist keine neue Methode, kein neuer Marketing-Gag, kein Kniff, kein Allheilmittel für ausgelutschte Marken, keine Manipulation, wie Werbe-Gegner so schön sagen. Und es ist auch keine Zauberei.
Es ist das Natürlichste der Welt, dass ich etwas erfahren will, damit ich weiß, ob ich jemandem vertrauen kann. Und es hilft mir angesichts der unendlichen Fülle an Produkten und Marken zu erkennen, wer zu mir passt und wer nicht.
Und es ist nur natürlich, dass wir uns beim Griff ins Regal unbewusst fragen "Erzählst Du mir eine Geschichte?".