Muss man eigentlich immer alles kommentieren? Nur, weil man es kann? Weil wir vielleicht sogar dazu aufgefordert werden? Weil es einen Extra-Button dafür gibt?
Nein, muss man nicht. Und ich finde, man sollte es auch nicht. Egal, ob im echten Leben oder in der virtuellen Welt.
Ich habe beobachtet, dass sich dieses Kommentieren bei vielen meiner Mitmenschen schon verselbständigt hat. Sie müssen alles und jeden kommentieren, sich in Beziehung zu allem set-zen, was so um sie herum geschieht: Ich bewerte, also bin ich.
Die Bäckerin beispielsweise kommentiert bei jedem meiner morgendlichen Besuche meine Außenbekleidungswahl. Von "Sie sind heute aber luftig angezogen!" – weil ich für den 2-minütigen Fußweg auf Schal und Mütze verzichtet habe, obwohl Februar ist. Bis hin zu "Heute sind sie aber dick angezogen, heute ist es doch so warm!". Manchmal ist es einfach ratsam, nichts zu sagen, bevor man etwas Dämliches sagt. Das gilt nicht nur für die Bäckerin, sondern für jeden von uns. Denn mit ihrer Kommentiererei ist die Bäckerin nicht allein.
Ein Schuljunge, der zu einem anderen Jungen sagt "Ähhh, Du hast ja Mädchenschuhe an!". Zwei alte Frauen im Bus, von denen die eine die "gewagte Haarfarbe" der anderen kommentiert, "denn in einem gewissen Alter solle man wissen, was man tragen kann.". Eine Kollegin blafft "Schwanger, bevor Du ´nen festen Vertrag hast? Das hätt´ich ja nicht gemacht!". Eine Frage: findet das jemand schön? Ja, auch ich muss mich selber manchmal bremsen, um keinen sarkastischen Kommentar zu einer Sache abzugeben. Denn es ist diese Art von Kommentaren, die den anderen dann unter Umständen den ganzen Tag ärgern, auch wenn sie eigentlich banal ist. Denn Kommentare anderer sind immer auch eine Bewertung. Eigentlich sollten wir versuchen, uns darüber nicht allzu sehr zu ärgern. Der Kommentierende sagt dabei zwar etwas über mich, während er dabei eigentlich so viel über sich preisgibt. Seine Unzufriedenheit, seine Angst, seine Engstirnigkeit.
Online ist dieses Phänomen vielleicht noch stärker zu beobachten, da hier alle Kommentare schriftlich erfolgen und somit wie ein in Stein gemeiseltes Statement unter einem Foto, Artikel oder Ähnlichem prangen. Das schürt natürlich den Unmut andersdenkender, ebenso kommentierwütiger Zeitgenossen. Häufig führen ketzerische Bemerkungen zu Streit zwischen Menschen, die sich nicht kennen.
Das führt zu nichts. Das macht die Welt nicht besser, uns nicht glücklicher und die anderen auch nicht. Kommunikation ist dazu da, sich mitzuteilen, damit der andere einen versteht. Dafür, dass wir Wissen und Gedanken austauschen können. Damit das menschliche Zusammenleben einfacher und besser wird. Kommentieren ist auch eine Form der Kommunikationen – leider häufig eine sehr extrinsisch motivierte. Denn es ist oft darauf angelegt, Applaus zu bekommen oder als Revoluzzer möglichst viel Gegenwind zu erhalten, andere zu brüskieren oder eine Bewertung abzugeben. Das kann man sich aber häufig sparen.
Es ist so viel angenehmer, den anderen einfach sein zu lassen und selbst sein gelassen zu werden. Wenn man sich nicht bedroht fühlt von anderen Lebensweisen oder Gedanken. Das macht uns alle freier. Im Kopf und im Umgang miteinander.
Darum mein Vorschlag: Jeder sollte bei sich bleiben und vor dem "Kommentieren" kurz selber fragen, ob sein Beitrag freundlich oder humorvoll ist, etwas besser macht oder in der Situation hilfreich ist. Lautet die Antwort auf keine der Fragen "Ja", dann sollte man sich den Kommentar vielleicht einfach mal verkneifen. Für den eigenen Selenfrieden. Und den der anderen.